Geschlechtshormone und die Prostata

Androgene und auch Östrogene sind die Sexualhormone des Mannes. Das Wissen über ihre Funktionen, die Steuerung über Regelkreise und die medikamentöse Beeinflussung sind wichtig für das Verständnis der Entstehung und Behandlung von Prostataerkrankungen.

Androgene

Androgene sind männliche Geschlechtshormone, ihr Hauptvertreter ist Testosteron. Sie werden über verschiedene Zwischenschritte aus Cholesterin gebildet, beim Mann hauptsächlich in den Leydig- Zwischenzellen der Hoden, geringe Mengen auch in den Nebennieren (vgl. Abbildung 1). Von dort gelangen sie ins Blut und binden sich hier fast vollständig an ein besonderes Eiweiß, das SHBG (Sexualhormon- bindendes Globulin). Dieses transportiert sie zu ihren Zielzellen, aber auch zur Leber, wo sie rasch abgebaut werden (Halbwertszeit nur 10 Minuten). Die Abbauprodukte erreichen wiederum über den Blutweg die Nieren und werden mit dem Urin ausgeschieden.

Zielzellen der Androgene befinden sich an zahlreichen Stellen des Körpers, zum Beispiel in der Prostata und den Samenblasen (Sekretbildung, s. auch Funktionen der Prostata), in der Haut (z.B. Bartwuchs) und der Muskulatur (Aufbau) sowie im Gehirn: Hier sorgen sie unter anderem für die Libido (den Geschlechtstrieb) und die Regulation ihres eigenen Blutspiegels (s.u.). Für eine weitere wichtige Aufgabe, die Förderung der Spermienbildung, nehmen die Androgene den direkten Weg: Von den Leydig-Zwischenzellen zu den Stammzellen, deren Abkömmlingen und anderen Zellen in den Samenkanälchen der Hoden.

Nicht im Gehirn, jedoch in vielen anderen Zielzellen wird Testosteron zunächst umgewandelt in das am stärksten wirksame Androgen DHT (Dihydrotestosteron). Dies geschieht mit Hilfe des Enzyms 5-alpha- Reduktase. Es kann mit Wirkstoffen gehemmt werden, die man deshalb 5-alpha-Reduktase- Hemmer nennt. Behandeln lassen sich damit bestimmte Formen des Haarausfalls und das benigne Prostatasyndrom (s. Medikamente zur BPS-Behandlung). Ob die Stoffe auch vorbeugend gegen Prostataerkrankungen wirken, wird derzeit untersucht (s. Vorbeugung gegen BPS).

Eine wesentlich breitere Wirkung haben dagegen Antiandrogene. Sie hemmen sämtliche Androgene an allen Zielzellen, auch am Gehirn. Man setzt sie deshalb bei Erkrankungen ein, die von Androgenen verursacht oder verschlimmert werden können, insbesondere beim Prostatakarzinom (s. Hormontherapie bei Prostatakarzinom).

Östrogene

Östrogene sind eine Gruppe weiblicher Geschlechtshormone. Sie werden mit Hilfe des Enzyms Aromatase aus Androgenen gebildet, beim Mann nur in geringer Menge, ebenfalls in den Hoden und den Nebennieren, aber auch im Fettgewebe. Die Leber baut sie langsamer ab als Androgene, und die Abbauprodukte gelangen über die Galle in den Stuhl sowie über die Nieren in den Urin. Östrogene sind für Männer unverzichtbar, zum Beispiel für die Reifung der Spermien (Samenzellen).

Auch die Aromatase lässt sich mit Wirkstoffen hemmen, d.h. dass die Umwandlung von Androgenen in Östrogene unterdrückt wird. Der Nutzen solcher Aromatase- Hemmer beim benignen Prostatasyndrom und beim Prostatakarzinom ist noch Gegenstand von Studien (s. Medikamente zur BPS-Behandlung und Vorbeugung gegen BPS). Hingegen hemmen Östrogene bekanntermaßen das Wachstum der Prostata und können in hoher Dosierung zur Hormontherapie des Prostatakarzinoms verwendet werden, besonders in Kombination mit Tumorhemmstoffen (s. Hormontherapie bei Prostatakarzinom).

Steuerung

Die Funktion der Hoden wird vom Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns) über die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) gesteuert, unter dem Einfluss übergeordneter Hirnzentren. So kommt die Androgen-Produktion in den Hoden (die Nebennieren sind davon unabhängig) erst am Ende der Kindheit in Schwung, ihre Wirkungen (s.o.) werden ersichtlich, die Pubertät beginnt.

Im weiteren Verlauf hält der Hypothalamus die Hodenfunktion über Regelkreise aufrecht und passt sie an die aktuelle Situation an (z.B. Uhrzeit, Jahreszeit, Alter, Wohlbefinden). Neben den Androgenen sind daran folgende Hormone beteiligt:

  • FSH: Follikel-stimulierendes Hormon
  • LH: Luteinisierendes Hormon
  • LH-RH: LH-Releasing-Hormon
  • Inhibin

Anmerkung: FSH und LH nennt man auch Gonadotropine (gonadotrope Hormone), weil sie auf die Gonaden (Keimdrüsen) wirken. Dementsprechend wird LH-RH auch als Gonadoliberin oder GnRH bezeichnet (Gonadotropin- Releasing-Hormon), weil es die FSH- und LH-Produktion in Gang setzt (s. nächster Abschnitt).

Regelkreise

Der Hypothalamus bildet LH-RH, das die Hypophyse zur Produktion und Freisetzung (engl. release) von FSH und LH anregt. FSH fördert in den Hoden die Bildung der Spermien und – indirekt – von Inhibin. Dessen Blutspiegel signalisiert wiederum der Hypophyse den FSH-Erfolg, die dann den FSH-Nachschub wieder drosselt.

Ähnlich die Regulation der Androgene: LH regt ihre Bildung in den Hoden an, der steigende Androgen-Spiegel bremst Hypothalamus und Hypophyse, LH-RH und LH fallen ab, die Androgen-Produktion sinkt. Weil Androgene rasch abgebaut werden, dauert der Bremseffekt (negative Rückkoppelung) nur kurz, und die LH-RH- und LH-Ausschüttung steigen wieder. So bleibt der Androgen-Blutspiegel wie von selbst konstant, kann aber vom Hypothalamus innerhalb von Stunden verändert werden.

Wichtig für die Wirkung von LH-RH ist, dass es nur alle 1,5-4 Stunden freigesetzt wird (pulsatil, wie ein Puls). Bei kontinuierlicher Ausschüttung werden die Hypophysenzellen unempfindlich, die Produktion von FSH und LH versiegt.

Bei der Behandlung des Prostatakarzinoms mit LH-RH-Analoga macht man sich diesen Effekt zunutze: Dabei wird ein Wirkstoff in Depotform unter die Haut gespritzt, der wie (analog) LH-RH wirkt, aber länger. Seine kontinuierliche Freisetzung verstärkt zunächst die LH-Ausschüttung, so dass der Androgen- Spiegel steigt (Flare-up-Phänomen). Dann aber hört sie auf, und damit auch die Androgen-Bildung in den Hoden, das Krebswachstum wird wegen des Androgen- Entzugs nicht mehr gefördert.

Diese Behandlung bezeichnet man auch als medikamentöse Kastration, weil ihr Effekt gleich ist wie der einer Entfernung der Hoden (operative Kastration). Jedoch hat sie den Vorteil, dass ihre Wirkung durch Absetzen des Medikaments rückgängig gemacht werden kann. Wegen des Flare-up- Phänomens werden LH-RH-Analoga zu Beginn der Therapie oft mit Antiandrogenen (s.o.) kombiniert (s. auch Hormontherapie bei Prostatakarzinom).


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