Erektile Dysfunktion (Erektionsstörung)
Störungen der Erektion (Gliedversteifung) haben oft eine psychische oder physische (körperliche) Ursache, darunter auch die Behandlung von Prostatakrebs. Doch es gibt vielfältige Behandlungsmöglichkeiten.
Erektile Dysfunktion heißt wörtlich Funktionsstörung der Erektion (Gliedversteifung), zu deutsch Erektionsstörung. Man versteht darunter das dauerhafte Unvermögen, eine Erektion zu erreichen oder aufrecht zu erhalten, die für einen befriedigenden Geschlechtsakt ausreicht. Aus dieser Definition geht unter anderem hervor, dass die Diagnose auch von der subjektiven Beurteilung durch den Betroffenen abhängt und dass ein gelegentliches Ausbleiben der Erektion noch keine ED bedeutet.
Die erektile Dysfunktion wird umgangssprachlich auch als Potenzstörung oder Impotenz bezeichnet (von lat. potentia = Vermögen, Kraft, Macht). Dies ist jedoch medizinisch nicht korrekt, denn beide Begriffe umfassen außerdem das Unvermögen zur normalen Ejakulation (Samenerguss), die Zeugungsunfähigkeit (Sterilität) und den fehlenden Drang zur sexuellen Betätigung (fehlende Libido = „Lust“).
Die Erektion ist Folge eines komplizierten Vorgangs, der schließlich zum Orgasmus (Höhepunkt der sexuellen Erregung) und zur Ejakulation führt: Bei ungestörter Libido und normaler Hormonlage werden in erotischen Situationen unter dem Einfluss der psychischen (seelischen) Verfassung des Mannes bestimmte Bereiche seines Gehirns erregt, zum Beispiel durch Seheindrücke, Berührung, Geruchsstoffe oder Vorstellungen (= das „Vorspiel“).
Über spezielle Zentren im Rückenmark und Nervenfasergeflechte in der Umgebung von Harnblase und Prostata erreichen die Impulse dann den Penis. Dort lassen sie die Muskulatur der Schwellkörper und der zuführenden Blutgefäße erschlaffen. Damit steigt der Blutzustrom in die Hohlräume der Schwellkörper, so dass diese sich ausdehnen, was zudem den Blutabfluss drosselt. Die Schwellkörper besitzen eine stabile Bindegewebshülle, die ihre Ausdehnung (Tumeszenz) begrenzt und zusammen mit dem Gleichgewicht aus Zu- und Abfluss des Blutes die Härte (Rigidität) der Erektion bestimmt.
Die Entleerung der Schwellkörper geschieht ebenfalls unter der Kontrolle des Gehirns über Nervenimpulse, die zur Anspannung der Muskulatur der zuführenden Blutgefäße und der Schwellkörper führen: Die Blutzufuhr sinkt, der Blutabfluss steigt und die Schwellkörper ziehen sich zusammen.
Häufigkeit
Viele Männer sind von einer mehr oder weniger ausgeprägten erektilen Dysfunktion betroffen, allein in Deutschland bis zu 6 Millionen. Die Häufigkeit steigt mit dem Alter an, Studien zufolge auf mehr als 50%. Doch nur 10-25% davon lassen sich behandeln, obwohl selbst in höherem Alter noch bis zu zwei Drittel der Männer sexuell aktiv sind.
Die Dunkelziffer ist also hoch. Vermutlich hindert Scham viele Betroffene am Gang zum Arzt (oder die Angst, kein richtiger Mann zu sein), so dass zahlreiche Partnerschaften belastet werden, was das Problem wegen der psychischen Auswirkungen nur noch verschärft.
Ursachen
Aus dem oben beschriebenen Vorgang der Erektion ist zu erkennen, dass diese auf mannigfaltige Weise gestört werden kann. So findet sich nach Schätzungen in der Hälfte der Fälle von erektiler Dysfunktion eine körperliche Ursache, in 30% eine psychische (z.B. Versagensangst, Stress im Beruf, Partnerschaftskonflikte) und in 20% eine Mischung aus beiden.
An körperlichen Ursachen kommen zum Beispiel in Betracht:
- Zufuhr von Genussgiften (z.B. Alkohol, Nikotin) oder Drogen.
- Herz-Kreislauferkrankungen, z.B. koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, Arteriosklerose („Gefäßverkalkung“).
- Stoffwechselkrankheiten, z.B. Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Fettstoffwechselstörungen, Schilddrüsenkrankheiten.
- Einnahme von Medikamenten, z.B. Blutdruck- und Blutfettsenker, Herzmedikamente, Entzündungshemmer, Psychopharmaka, Beruhigungs- und starke Schmerzmittel, Appetitzügler, Hormonpräparate (darunter auch Antiandrogene und LH-RH-Analoga zur Behandlung des Prostatakarzinoms, s. Hormontherapie).
- Benignes Prostatasyndrom (gutartige Prostatavergrößerung, s. BPS).
- Erkrankungen von Gehirn oder Rückenmark, z.B. multiple Sklerose, Schlaganfall.
- Nervenschäden, z.B. durch Gifte oder bei Prostatakarzinom durch radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie.
- Veränderungen der Hormonspiegel durch Erkrankungen der Hypophyse (Hirnanhangdrüse), Hoden oder Nebennieren.
- Fehlbildungen, Verletzungsfolgen oder Erkrankungen des Penis.
Als Haupt-Risikofaktoren für die ED gelten dieselben wie für Herz-Kreislauferkrankungen: Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen, Hypercholesterinämie (erhöhte Blutfettwerte) und das metabolische Syndrom (kombinierte Stoffwechselstörung bei Diabetes mellitus).
Untersuchung
Basis ist das ausführliche Erheben der Anamnese (Vorgeschichte), um die Zahl der möglichen Ursachen einzugrenzen. Dazu gehören auch Fragen nach der Einnahme von Medikamenten, der psychischen Situation und dem Sexualleben. Bei der Sexualanamnese sollten die PartnerInnen einbezogen werden, und es können auch Fragebogen Verwendung finden (z.B. der IIEF, International Index for Erectile Function).
Dann folgt die körperliche Untersuchung, einschließlich der Messung von Blutdruck und Puls sowie einer DRU (s. digitale rektale Untersuchung). Labortests richten sich nach den bisherigen Ergebnissen und umfassen die Bestimmung von Blutzucker, Blutfetten und Geschlechtshormonen (s. auch Geschlechtshormone), gegebenenfalls auch weitere wie den PSA-Wert (s. PSA-Bestimmung).
Weil das Herz-Kreislauf-Risiko bei sexueller Aktivität, unter den von ED Betroffenen und bei der Therapie der ED erhöht ist, zielt die Diagnostik auch darauf ab, den Betroffenen einer entsprechenden Risikoklasse zuzuordnen, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Kardiologen oder Internisten. So sind bei hohem Risiko (z.B. instabiler Angina pectoris = „Brustenge“) bis zur Besserung Enthaltsamkeit dringend anzuraten und die Einnahme von PDE-5-Hemmern (s.u.) in der Regel verboten. Bei niedrigem Risiko kann dagegen ein Versuch mit diesen Medikamenten ohne weitere Untersuchungen in Betracht kommen.
Die Spezialdiagnostik beinhaltet den Schwellkörperinjektionstest (SKIT) und die Sonographie (Ultraschalluntersuchung) der Penisgefäße, nur selten erforderlich sind zum Beispiel die Messung der nächtlichen Erektionen (NPTR, nächtliche penile Tumeszenz und Rigidität), die Aktivitätsmessung der Muskulatur der Schwellkörper (CC-EMG, Corpuscavernosum-Elektromyographie), die Röntgenkontrastdarstellung von Schwellkörpern oder Blutgefäßen sowie Funktionstests von Nerven oder Hormon-Regelkreisen.
Behandlung
Im Vordergrund stehen zunächst die Beseitigung der Risikofaktoren (z.B. durch körperliches Training, Gewichtsabnahme, Rauch-Stopp) und die Behandlung der Ursachen (z.B. Einstellung von Blutdruck und Blutzucker, Umstellung auf andere Medikamente, Hormonersatz, Operation von Fehlbildungen, Psychotherapie).
Parallel dazu - oder falls dies nicht ausreichen oder nicht möglich sein sollte - können symptomatische (gegen die Krankheitszeichen, also die ED gerichtete) Maßnahmen zum Einsatz kommen.
Die Auswahl richtet sich nach der Ursache der ED, den Befunden und den individuellen Bedürfnissen und Erwartungen des betroffenen Paares. Erfolg, Zufriedenheit und unerwünschte Wirkungen sollten regelmäßig überprüft und die Therapie gegebenenfalls angepasst werden, zum Beispiel durch einen Wechsel oder eine Kombination der Methoden. Zur Verfügung stehen:
PDE-5-Hemmer: Diese Wirkstoffe hemmen ein Enzym (Ferment), die Phosphodiesterase 5 (PDE 5). Sie baut in den Schwellkörpern einen Stoff ab (cGMP), der für die Ausbildung und Aufrechterhaltung der Erektion nötig ist, sorgt also für das Abklingen der Erektion. PDE-5-Hemmer werden in Tablettenform eingenommen und führen bei etwa 80% der Männer zu einer Erektion. Sie sind heute Standard, wirken aber nur bei sexueller Stimulation und intakter Nervenversorgung des Penis. Auch ist die Liste der absoluten und relativen Kontraindikationen lang (Gegenanzeigen, z.B. schwere Erkrankungen von Herz, Kreislauf, Leber, Magendarmtrakt und Augen, Einnahme von nitrathaltigen Medikamenten und nitrithaltigen Sexualstimulanzien). Es gibt drei verschiedene Wirkstoffe (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil). Sie unterscheiden sich in ihrem Wirkprofil und den unerwünschten Wirkungen, so dass ein Wechsel von Vorteil sein kann.
Andere Medikamente: Zur Verfügung stehen mehrere Wirkstoffe mit unterschiedlichem Wirkmechanismus (z.B. Yohimbin), weitere werden derzeit entwickelt und getestet. Gewarnt werden muss vor der unkritischen Einnahme frei verkäuflicher Arzneimittel und Stimulanzien (Aphrodisiaka). Manche Präparate enthalten PDE-5-Hemmer oder andere hochwirksame Substanzen, können also gefährlich sein, während andere gänzlich unwirksam oder verboten sind (z.B. aus Artenschutzgründen). Am besten, Sie lassen sich vorher ausführlich beraten.
SKAT (Schwellkörperautoinjektionstherapie): Bei der SKAT spitzt sich der Betroffene selbst (oder eine andere Person) eine Lösung in beide Schwellkörper, natürlich nur nach ausführlicher Anleitung. Verwendet wird meist Alprostadil (= Prostaglandin E1) in individueller Dosierung, manchmal kommen auch andere Wirkstoffe oder eine Kombination zum Einsatz. Vorteil ist eine hohe Ansprechrate von bis zu mehr als 90%, unabhängig von der Ursache der ED. An unerwünschten Wirkungen ist vor allem der Priapismus zu erwähnen, eine schmerzhafte Dauererektion, die zwar selten auftritt, jedoch wegen möglicher Dauerschäden spätestens nach vier Stunden ein ärztliches Eingreifen erforderlich macht.
Intraurethrales Prostaglandin E1: Hierbei führt der Betroffene den Wirkstoff Alprostadil in Form eines Stäbchens mit einem Applikator in die Harnröhre (intraurethral) ein. Die Methode ist eine Alternative zur SKAT, wenn der Betroffene diese ablehnt, die Ansprechrate liegt jedoch deutlich niedriger.
Vakuumerektionssysteme (Vakuumpumpen): Sie erzeugen eine passive Erektion durch Unterdruck in einem über den Penis gestülpten Rohr. Ein an der Penisbasis angelegter Ring drosselt den Blutabfluss und erhält die Erektion aufrecht; er sollte nach 30 Minuten wieder abgenommen werden. Die Ansprechrate beträgt mindestens 90%, zu Nebenwirkungen kommt es sehr selten. Solche Systeme sind besonders von Vorteil, wenn die bisher genannten Methoden sich verbieten oder versagt haben.
Schwellkörperimplantate (Penisprothese): Das Einpflanzen von steifen, elastischen oder aufpumpbaren Stäben in die Schwellkörper wird nur noch selten durchgeführt. Nachteile liegen in der endgültigen Veränderung der Schwellkörper durch die Operation, im allgemeinen Operationsrisiko, im Risiko für eine anschließende Infektion und in den hohen Kosten. Vorteil ist dagegen die dauerhafte Behebung der erektilen Dysfunktion, was sich auch an einer der höchsten Akzeptanzraten von allen Methoden zeigt.
Quellen (u.a.)
- Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU): Diagnostik und Therapie von Libido- und Erektionsstörungen. 3/2005. Neueste Version verfügbar auf der Website der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften e.V.) als PDF
- Hautmann, R., H. Huland (Hrsg.): Urologie. 3. Auflage, Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 978-3-540-29923-3
- Sökeland, J., et al.: Taschenlehrbuch Urologie. 13. Auflage, Thieme, Stuttgart 2004, ISBN 978-3-13-300613-2
- Wespes, E., et al.: Guidelines on erectile dysfunction. European Association of Urology (EAU), 3/2005. Neueste Version verfügbar auf der EAU-Website über die Seite der nicht-onkologischen Leitlinien als PDF (englisch)