Tumor-Grading für Prostatakrebs
Ein neues Klassifizierzungssystem für Prostatakrebs wurde 2016 WHO-Standard. Das aktualisierte Bewertungsschema, das in Verbindung mit dem bisherigen Gleason-Score eingesetzt wird, soll vor allem die unterschiedlichen Prognosen der betroffenen Patienten berücksichtigen.
Je nach bevorzugter Klassifizierung werden beim Gleason-Score verschiedene Risikogruppen unterschieden. Das führt in der urologischen Praxis nicht selten zu Ungereimtheiten und Fragen bzgl. des weiteren therapeutischen Vorgehens – abhängig von der individuellen Prognose. Klarheit bringt seither ein neues Gruppensystem mit fünf Graden, das sich an einer Überarbeitung des Gleason-Scores orientiert. Das neue Schema basiert auf Daten von Wissenschaftlern um Prof. Jonathan Epstein vom John Hopkins Hospital in Baltimore (USA). Seit 2016 wird nun folgende Einteilung angewendet:
Graduierung 1 – bisheriger Gleason-Score 2-6
Graduierung 2 – bisheriger Gleason-Score 7a (3+4)
Graduierung 3 – bisheriger Gleason-Score 7b (4+3)
Graduierung 4 – bisheriger Gleason-Score 8
Graduierung 5 – bisheriger Gleason-Score 9
Die Übernahme des neuen Systems war 2014 auf der Konsensus-Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Urologische Pathologie zum Gleason-Grading des Prostatakarzinoms mit großer Einigkeit beschlossen worden.
Detaillierte Überprüfung
Fraglich ist, inwieweit signifikante prognostische Unterschiede bei Prostatatumoren mit einer geringen Anzahl an Graduierungen beschrieben werden können. Grundlage für die Beantwortung dieser Frage und somit auch die neue Klassifizierung war die detaillierte Datenanalyse von 20.845 Patienten mit einem klinisch lokalisierten Prostatakarzinom. Diese hatten sich zwischen 2005 und 2014 an Kliniken in den USA oder Schweden einer radikalen Prostatektomie (RPE) unterzogen. Weitere 5.501 Probanden waren mit Strahlentherapie (Brachytherapie oder externe Bestrahlung) behandelt worden.
Den Studienergebnissen zufolge gibt es deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gleason-Score-Gruppen 3+4 und 4+3 bzw. 8 und 9. Demnach hatten die operierten Patienten mit dem höheren Gleason-Score auch ein deutlich erhöhtes Risiko, erneut an einen Prostatakarzinom zu erkranken, also ein Rezidiv zu erleiden, als die Teilnehmer in der jeweiligen Vergleichsgruppe mit dem niedrigeren Score.
Prognostische Differenzierung möglich
Insgesamt zeigte sich in der Prostatektomie-Gruppe sowohl in den Biopsie- als auch in den OP-Proben eine deutliche Unterscheidung bzgl. der Prognose: So lag die Wahrscheinlichkeit, fünf Jahre kein Rezidiv zu erleiden, für die Gleason-Gruppe
6 bei 96 Prozent,
3+4 bei 88 Prozent,
4+3 bei 63 Prozent,
8 bei 48 Prozent und
9 bei 26 Prozent.
Zwar waren die Unterschiede insbesondere bei den Scores 3+4 und 4+3 in der Bestrahlungskohorte nicht so eindeutig, dies wird jedoch auf die zusätzliche Hormontherapie bei Hochrisiko-Patienten zurückgeführt. Bei alleiniger Strahlentherapie kam es ebenfalls zu starken Risikounterschieden. Diese eindeutigen Abgrenzungen zwischen den einzelnen Gruppen führten letztendlich zu der neuen Klassifizierung.
Bedeutung für Arzt und Patient
Nicht nur, dass der Prostatakrebs durch das neue Grading-System mit der Einteilung anderer Tumoren vergleichbar wird, es gibt noch weitere Vorteile. Die Einteilung in die neuen Grade ermöglicht eine genauere differenzierte Bewertung des individuellen Risikos als mit dem Gleason-Score. Zudem sorgt dieser – durch seine Zusammensetzung aus verschiedenen Gleason-Mustern – in der Praxis oftmals für verschiedene und auch verwirrende Einteilungen. Hier bietet die neue Abstufung in fünf Grade eine vereinfachte Anwendung.
Und zu guter Letzt gibt die Einführung des Grads 1 anstelle des Scores 6 einen eindeutigen Hinweis auf das damit verbundene geringe Risiko, ein Rezidiv zu erleiden bzw. auf die gute Heilungschance des Patienten. Das hat einerseits positive psychische Effekte auf den Betroffenen, kann andererseits aber auch den behandelnden Arzt dazu anhalten, statt einer möglicherweise unnötigen Therapie eventuell erst mal die aktive Überwachung der Erkrankung in Betracht zu ziehen. So können nun Überbehandlungen leichter vermieden werden.
Pierorazio PM et al., BJU Int 2013; 111: 753-60
Epstein JI et al., Am J Surg Pathol 2016; 40: 244-52
Epstein JI et al., Eur Urol 2016; 69: 428-35
Deutsche Gesellschaft für Pathologie e. V.